Interview mit Bernhard Stracke, ehemaliger Glücksspielexperte von ver.di

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    • Interview mit Bernhard Stracke, ehemaliger Glücksspielexperte von ver.di

      ISA Guide schrieb:

      Reinhold Schmitt
      ISA-GUIDE Chefredakteur (V.i.S.d.P.)
      E-Mail: info@isa-guide.de


      Chefredakteur Reinhold Schmitt ISA-GUIDE: Herr Stracke es ist ruhig um sie und die Bundeskoordinierung Spielbanken von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geworden. Was ist los?

      Bernhard Stracke: Nach 41 Jahren als Gewerkschaftssekretär bin ich zum 01.09.2015 mit dem erreichen der Regelaltersgrenze in den Rente gegangen.

      Schmitt ISA-GUIDE: Dann hat doch sicherlich eine neue Besetzung stattgefunden.

      Stracke: Das kann ich nicht beantworten. Das zuständige Bundesvorstandsmitglied Meister hat mich im April 2015 angesprochen, ob ich als Rentner die Bundeskoordinierung Spielbanken weiter machen könnte. Ich habe zugesagt, es gab noch Mailverkehr aber nie eine Antwort von Meister. Er hat mir dann im November 2015 ausrichten lassen, dass er mich anruft, dieser Anruf ist aber nie erfolgt. Es gibt seit über sechs Monaten keine Informationen, wie es mit der Bundeskoordinierung Spielbanken weiter geht.
      Meine Vermutung ist, ver.di wird die Arbeit bei den Spielbanken so gering wie möglich halten weil sie arbeitsintensiv und anspruchsvoll ist und Fachsekretäre und Fachsekretärinnen fehlen, die bereit sind, sich in den Glücksspielbereich einzuarbeiten. Da ver.di im Fachbereich die Tarifarbeit auch auf bedingungsgebundene Tarifarbeit umstellt, wird es wohl weniger Tarifverträge in der Branche geben, die von ver.di abgeschlossen werden.
      Es wird wohl ein Kollege die Betreuung des Bundesarbeitskreises Spielbanken mit ein bis zwei Sitzungen im Jahr übernehmen, so ist es zu hören und das war es dann wohl.

      Schmitt ISA-GUIDE: Sie haben sich komplett aus der Glücksspielbranche zurückgezogen?

      Stracke: Nein, auch als Rentner habe ich für ver.di in zwei Spielbanken Tarifverträge verhandelt und abgeschlossen. In einem Tarifvertrag haben wir sogar Neuland für die Spielbanken betreten.
      Weiterhin bin ich als Sachverständiger und Referent für Arbeits,- Tarif- und Glücksspielrecht tätig, daher werde ich der Branche erhalten bleiben. Ich bin für jederlei Ansprache offen (bstrackebvb09@t-online.de).

      Schmitt ISA-GUIDE: Nach 41 Jahren Tätigkeit für die Gewerkschaft, war es rückblickend die richtige Berufswahl?

      Stracke: Diese Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Es hat mir viel Freunde gemacht, mich für die Beschäftigten in den Betrieben und Dienststellen oder vor den Arbeits- und Sozialgerichten einzusetzen. Besonders gerne habe ich mit Herzblut den Bereich Glücksspiel und somit die Spielbanken betreut. Bei den Spielbanken und bei Lotto habe ich sehr viele Tarifverhandlungen in diesen Jahren geführt und Tarifverträge abgeschlossen. Dazu kamen eine Reihe von Streiks und Aktionen zur Durchsetzung unserer Forderungen hinzu. Mit Spielbanken habe ich seit 1984 zu tun, seit dieser Zeit hat sich sehr viel verändert. Ich durfte die guten Jahre der Spielbanken noch erleben. Mein Einstieg bei Tarifverhandlungen war, dass die beteiligten Gewerkschaften HBV und DAG verhandelt haben, der Arbeitgeber inaktiv am Tisch gesessen hat um nach der Einigung der Gewerkschaften die Tarifverträge mit zu unterschreiben. Das Wort Garantiegehälter wurde mir für alle Zeiten von den Croupiers verboten in den Mund zu nehmen. Spielbanken zahlten in der Regel eine Abgabe von 80% vom Bruttoeinspielergebnis. Hinzu kam, dass der Tronc (Trinkgeldtopf) ausreichte um das Personal gut zu bezahlen.

      Schmitt ISA-GUIDE: Waren sie mit ihrem Arbeitgeber, der Gewerkschaft zufrieden?

      Stracke: Ich habe 1984 bei der DAG angefangen und dann nach der Auflösung der DAG und der Gründung von ver.di habe ich in der ver.di gearbeitet. Bei der DAG war ich mit verschiedenen Führungsaufgaben betraut.
      Bei ver.di war das etwas schwieriger. Es mussten alle fünf Gründungsorganisationen sowie die Geschlechter und alle Gruppen entsprechend ihrer Mitgliederzahl vertreten sein.
      Ver.di fordert zu Recht Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten in den Betrieben und Dienststellen ein. Bei den eigenen Beschäftigten haben viele Führungskräfte jedoch erhebliche Defizite. Wenn ich u.a. an mein Arbeitsjubiläum 40 Jahre bei der Gewerkschaft denke war die Wertschätzung sehr, sehr bescheiden. Das galt auch für die 50 Jahre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft oder die Verabschiedung aus dem Berufsleben. Bis heute habe ich weder von der Landesleitung, der zuständigen Bezirksgeschäftsführerin oder dem Bundesfachbereich für die ich tätig war ein Danke für meine Arbeit erhalten. Nun könnte man glauben, dies habe an mir gelegen. Das war aber nicht so. Als Betriebsrat, Schwerbehindertenvertreter und auch als stellvertretendes Mitglied im Gesamtbetriebsrat kannte ich die Sorgen der Belegschaft und bekam mit das es vielen anderen ähnlich erging. Ja ich war ein kritischer Mitarbeiter, aber das muss gerade eine Gewerkschaft ertragen können. Kritik ist bei ver.di unerwünscht, hatte ich doch wegen Veröffentlichungen bei Facebook kurz vor dem Renteneintritt ein Personalgespräch beim Landesleiter.
      Aber was erwartet man von einer Gewerkschaft, die für alle Beschäftigten in Deutschland Tarifverträge fordert und im eigenen Haus dies ablehnt und dies sogar noch in der Satzung verankert.
      Auch werden die Mitglieder von ver.di regelmäßig aufgefordert, sofern sie eine Betriebsrente erhalten, diese nach dem Betriebsrentengesetz alle drei Jahre auf eine Anpassung der laufenden Leistungen durch ihren ehemaligen Arbeitgeber überprüfen zu lassen.
      Bei ver.di gibt es seit Jahren keine Erhöhung der betrieblichen Altersvorsorge, laut den Gerichtsverfahren von Rentnern ist dies der Gewerkschaft aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten. Dafür mussten ehemalige Beschäftigte der ehemaligen DAG bis zum Bundesarbeitsgericht klagen. Dies, obwohl ver.di weder für aktive Beschäftigte noch für Rentner der ehemaligen DAG jemals einen Cent für die Altersvorsage gezahlt hat. Die Zahlungen erfolgen aus der Ruhegehaltskasse der DAG. Die Ruhegehaltskasse ist kapitalgedeckt und ausfinanziert.

      Schmitt ISA-GUIDE: Keinen Tarifvertrag bei der Gewerkschaft, dass kann man ja nicht glauben, was tun die Beschäftigten dagegen?

      Stracke: Leider zu wenig. Die Allgemeinen Arbeitsbedingungen und die Entgeltregelungen werden in Betriebsvereinbarungen zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Bundesvorstand verhandelt. Ein Verfahren, welches ver.di in den Betrieben entschieden ablehnt und bekämpft. Betriebsvereinbarungen haben auch Nachteile für die Beschäftigten, so haben sich der Gesamtbetriebsrat und der Bundesvorstand über eine vom Bundesvorstand gekündigte Vereinbarung zur Altersteilzeit über die Frage, hat die Betriebsvereinbarung Nachwirkung, bis zum Bundesarbeitsgericht gestritten. Das Bundesarbeitsgericht hat keine Nachwirkung festgestellt und die Leidtragenden waren die Beschäftigten, übrigens zu 100% in der Gewerkschaft ver.di organisiert. Bereits 1994 wurde der Verband der Gewerkschaftsbeschäftigten, der sich in Gewerkschaft der Gewerkschaftsbeschäftigten (GdG) umbenannt hat, gegründet. Seit 2014 bin ich Vorsitzender der GdG und wir haben die Gewerkschaften mehrfach zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Der GdG wird vorgeworfen, sie habe nicht genügend Mitglieder bei den Gewerkschaften organisiert, daher sei sie nicht mächtig genug, Tarifverträge durchzusetzen. Ver.di hat es noch nie gestört, auch in Tarifbereichen ohne eigene Mächtigkeit Tarifverträge abzuschließen. Gerade bei bundesweiten Flächentarifverträgen gibt es dazu viele Beispiele. Wir bleiben aber in dieser Frage im Sinne unserer Mitglieder weiterhin aktiv. Auch Gewerkschaftsbeschäftigte benötigen Tarifverträge.

      Schmitt ISA-GUIDE: Wie schätzen sie aktuell die Situation der Spielbanken ein?

      Stracke: Ich habe immer davor gewarnt, dass sich Spielbanken nicht auf das gewerbliche Automatenspiel einschießen sollen. Klar war für mich, Schweizer Verhältnisse, also Automaten ausschließlich in Spielbanken zu bespielen ist politisch in Deutschland nicht umsetzbar. Wenn man das gewerbliche Automatenspiel zurückdrängt, suchen sich die großen dieser Branche andere Betätigungsfelder. Die Gauselmann-Gruppe hat dies getan und sich um Konzessionen für Spielbanken in einigen Bundesländern beworben. Hatte das Land Schleswig-Holstein noch Bedenken bei dem geplanten Verkauf der Spielbanken und diesen gestoppt, hat die Gauselmann-Gruppe dann die Konzession für die Spielbanken in Sachsen-Anhalt erhalten, für Glücksspielkenner überraschend, war doch der Mitbewerber kein geringerer als die Spielbank Berlin. Nun ist die Gauselmann-Gruppe im Januar 2016 mit 40% der Gesellschafteranteile an der Spielbank Berlin beteiligt. Auch dies war für viele in der Branche eine Überraschung. Ver.di hat sich aber zu Recht nie dazu geäußert, wer Spielbanken betreiben soll und das muss auch so bleiben.
      Spielbanken sind keine Wirtschaftsbetriebe. Spielbanken haben den 
staatlichen Auftrag, das illegale Glückspiel einzudämmen und den Menschen
staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen, damit die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung geschützt wird. Daher müssen einige Spielbanken attraktiver werden. Es müssen gleiche Voraussetzungen für Lebend- und Automatenspiel geschaffen werden. Spielbanken müssen Unterhaltungs- und Kommunikationszentren sein. Dazu gehört auch ein ausreichendes Angebot am Klassischen Spiel.

      Schmitt ISA-GUIDE: In Deutschland ist Internetglücksspiel immer noch verboten, ist das noch zeitgemäß?

      Stracke: Die im Glücksspielstaatsvertrag vorgenommene Regelung, dass Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet zu verbieten, halte ich für richtig. Dieses Verbot darf aber nicht nur auf dem Papier stehen, es muss auch aktiv das illegale Glücksspiel im Internet bekämpft werden. Die Experimentierklausel für Sportwetten halte ich für nicht notwendig. Die Experimentierklausel für Sportwetten ist gescheitert. Dreieinhalb Jahren nach Beginn der mit sieben Jahren angesetzten Experimentierphase ist keine einzige Sportwettenkonzession bisher erteilt worden.
      Gerade Sportwetten sind besonders suchtgefährdend, die Gefahr der Manipulation ist durch die vielen bekanntgewordenen Bestechungsfälle groß.
      Wer schon einmal im Internet bei privaten Anbietern Lotto gespielt hat, kann berichten, er wird fast täglich per Mail auf die Angebote und die Jackpots aufmerksam gemacht.

      Schmitt ISA-GUIDE: Vielen Dank für das Gespräch.

      Quelle: isa-guide.de/isa-casinos/articles/146490.html