Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Bundestag vor kurzem eine Gesetzesänderung beschlossen, die bei jedem Kontakt mit der Polizei wichtig werden kann.
Nicht nur als Strafverteidiger, sondern auch als Bürger sage ich: Die bisherige Regelung war sinnvoll und rechtsstaatlich geboten. Gerade am Anfang von polizeilichen Ermittlungen ist nämlich häufig noch nicht geklärt, ob ein Zeuge nicht doch irgendwie in eine Straftat verwickelt ist und ihm daher die Rechte eines Beschuldigten zustehen. Das wichtigste und wirklich unveräußerliche Recht eines Beschuldigten ist aber, dass er uneingeschränkt schweigen darf.
Zeuge oder Beschuldigter? In Zukunft eine wichtige Frage
Eine kleine Änderung in der Strafprozessordnung führt nun zu einer denkwürdigen Wende. Die Frage „Zeuge oder Beschuldigter?“ wird ab sofort in einem frühen Stadium wichtig, denn es gibt nun tatsächlich eine Aussagepflicht für Zeugen. Die neue Vorschrift lautet wörtlich: „Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.“ Mit den Ermittlungspersonen ist die Polizei gemeint.
Mit der grundsätzlichen Freiwilligkeit einer Zeugenaussage gegenüber der Polizei ist es also vorbei. Das kann nicht nur im bereits oben erwähnten Grenzbereich zwischen Zeugen und Beschuldigten problematisch werden. Vielmehr können für an sich völlig unverdächtigte Zeugen unangenehmen Drucksituationen entstehen. Denn möglicherweise verlangen Polizeibeamte unter Berufung auf die neue Rechtslage schon an Ort und Stelle eine Aussage. Das genau ist aber nun wirklich nicht jedermanns Sache. Denken Sie zum Beispiel an den simplen Fall, dass Sie als Beifahrer in einem Auto sitzen und plötzlich den Fahrer, der möglicherweise noch ein guter Freund ist, wegen eines Verkehrsverstoßes (zum Beispiel Fahrerflucht) belasten sollen.
Kennen Sie Ihre Rechte bei der Polizei
Wenn Sie in so einer Situation auch künftig nicht aussagen wollen, müssen Sie ein wichtiges Schlupfloch des Gesetzes kennen. Die Polizei darf eine Aussage von Ihnen nämlich nur verlangen, wenn sie „im Auftrag der Staatsanwaltsschaft“ handelt.
Hierauf sollten Sie die Beamten hinweisen und sich erkundigen, inwieweit die Staatsanwaltschaft hierzu wirklich einen Auftrag erteilt hat. Bei einem ganz frischen Geschehen, etwa einem Verkehrsunfall, ist so ein Auftrag ja auch eher unwahrscheinlich.
Juristisch noch nicht geklärt ist leider, ob die Staatsanwaltschaft für jede Zeugenvernehmung einen konkreten Auftrag erteilen muss oder ob sie der Polizei auch eine Art Generalermächtigung erteilen darf. Bejaht man Letzteres, gäbe es faktisch gar keine Kontrolle durch die übergeordnete Staatsanwaltschaft mehr. Das wäre rechtsstaatlich äußerst bedenklich.
Keine Ladungsfrist für Zeugen vorgesehen
Heikel wird die Neuregelung gerade auch dadurch, dass das neue Gesetz noch nicht einmal eine Ladungsfrist für den Zeugen kennt. Es kann also passieren, dass man auch zu Hause oder am Arbeitsplatz von Polizisten aufgesucht wird und unter Berufung auf das neue Gesetz sofort eine Aussage machen soll. Als Strafverteidiger weiß ich nur zu gut, dass viele Beamte gerne das Überraschungsmoment nutzen. Künftig wird ihnen dies erleichtert.
Aber auch nach der neuen Rechtslage gibt es völlig legale Gegenstrategien. Wollen Sie sich als Zeuge nicht überrumpeln lassen, sollten Sie Ihre Rechte kennen. Verlangen Sie also von den Beamten den bereits erwähnten Nachweis, dass diese „im Auftrag der Staatsanwaltschaft“ handeln. Verweisen Sie auch auf Ihr Recht auf einen Zeugenbeistand. Den Zeugenbeistand, zum Beispiel einen Rechtsanwalt, sieht das Gesetz ausdrücklich vor. Wenn dieses Recht auf einen Beistand nicht leerlaufen soll, müssen Sie zumindest genug Zeit erhalten um zum Beispiel einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und sich mit ihm vor der Vernehmung zu beraten.
Letztlich hat die Polizei an Ort und Stelle auf keinen Fall die Möglichkeit, Sie zu irgendwas zu zwingen. Man darf Sie als Zeugen auch nach dem neuen Recht nicht gewaltsam auf die Wache mitnehmen oder gar einsperren. Auch ein Ordnungsgeld kann nur der Staatsanwalt verhängen. Eine Ordnungshaft ist sogar nur durch den Richter möglich. So eine Entscheidung fällt natürlich nicht sofort, so dass man jedenfalls ausreichend Zeit zum Nachdenken gewinnt. Überdies gibt es auch noch diverse Beschwerdemöglichkeiten vor Gericht.
Ganz schutzlos muss man sich also auch künftig nicht als Zeuge fühlen. Jedenfalls dann, wenn man seine Rechte kennt. Falls Sie sich fragen, warum es überhaupt zu dieser Regelung gekommen ist: Staatsanwälte und Richter sollen arbeitsmäßig entlastet werden. Am Ende reden wir also über Geldersparnis durch die Einschränkung wichtiger Rechte. Das muss man nicht gut finden. Ich jedenfalls tue es nicht.
arag.de/auf-ins-leben/udo-vett…gepflicht-zeugen-polizei/
Nicht nur als Strafverteidiger, sondern auch als Bürger sage ich: Die bisherige Regelung war sinnvoll und rechtsstaatlich geboten. Gerade am Anfang von polizeilichen Ermittlungen ist nämlich häufig noch nicht geklärt, ob ein Zeuge nicht doch irgendwie in eine Straftat verwickelt ist und ihm daher die Rechte eines Beschuldigten zustehen. Das wichtigste und wirklich unveräußerliche Recht eines Beschuldigten ist aber, dass er uneingeschränkt schweigen darf.
Zeuge oder Beschuldigter? In Zukunft eine wichtige Frage
Eine kleine Änderung in der Strafprozessordnung führt nun zu einer denkwürdigen Wende. Die Frage „Zeuge oder Beschuldigter?“ wird ab sofort in einem frühen Stadium wichtig, denn es gibt nun tatsächlich eine Aussagepflicht für Zeugen. Die neue Vorschrift lautet wörtlich: „Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.“ Mit den Ermittlungspersonen ist die Polizei gemeint.
Mit der grundsätzlichen Freiwilligkeit einer Zeugenaussage gegenüber der Polizei ist es also vorbei. Das kann nicht nur im bereits oben erwähnten Grenzbereich zwischen Zeugen und Beschuldigten problematisch werden. Vielmehr können für an sich völlig unverdächtigte Zeugen unangenehmen Drucksituationen entstehen. Denn möglicherweise verlangen Polizeibeamte unter Berufung auf die neue Rechtslage schon an Ort und Stelle eine Aussage. Das genau ist aber nun wirklich nicht jedermanns Sache. Denken Sie zum Beispiel an den simplen Fall, dass Sie als Beifahrer in einem Auto sitzen und plötzlich den Fahrer, der möglicherweise noch ein guter Freund ist, wegen eines Verkehrsverstoßes (zum Beispiel Fahrerflucht) belasten sollen.
Kennen Sie Ihre Rechte bei der Polizei
Wenn Sie in so einer Situation auch künftig nicht aussagen wollen, müssen Sie ein wichtiges Schlupfloch des Gesetzes kennen. Die Polizei darf eine Aussage von Ihnen nämlich nur verlangen, wenn sie „im Auftrag der Staatsanwaltsschaft“ handelt.
Hierauf sollten Sie die Beamten hinweisen und sich erkundigen, inwieweit die Staatsanwaltschaft hierzu wirklich einen Auftrag erteilt hat. Bei einem ganz frischen Geschehen, etwa einem Verkehrsunfall, ist so ein Auftrag ja auch eher unwahrscheinlich.
Juristisch noch nicht geklärt ist leider, ob die Staatsanwaltschaft für jede Zeugenvernehmung einen konkreten Auftrag erteilen muss oder ob sie der Polizei auch eine Art Generalermächtigung erteilen darf. Bejaht man Letzteres, gäbe es faktisch gar keine Kontrolle durch die übergeordnete Staatsanwaltschaft mehr. Das wäre rechtsstaatlich äußerst bedenklich.
Keine Ladungsfrist für Zeugen vorgesehen
Heikel wird die Neuregelung gerade auch dadurch, dass das neue Gesetz noch nicht einmal eine Ladungsfrist für den Zeugen kennt. Es kann also passieren, dass man auch zu Hause oder am Arbeitsplatz von Polizisten aufgesucht wird und unter Berufung auf das neue Gesetz sofort eine Aussage machen soll. Als Strafverteidiger weiß ich nur zu gut, dass viele Beamte gerne das Überraschungsmoment nutzen. Künftig wird ihnen dies erleichtert.
Aber auch nach der neuen Rechtslage gibt es völlig legale Gegenstrategien. Wollen Sie sich als Zeuge nicht überrumpeln lassen, sollten Sie Ihre Rechte kennen. Verlangen Sie also von den Beamten den bereits erwähnten Nachweis, dass diese „im Auftrag der Staatsanwaltschaft“ handeln. Verweisen Sie auch auf Ihr Recht auf einen Zeugenbeistand. Den Zeugenbeistand, zum Beispiel einen Rechtsanwalt, sieht das Gesetz ausdrücklich vor. Wenn dieses Recht auf einen Beistand nicht leerlaufen soll, müssen Sie zumindest genug Zeit erhalten um zum Beispiel einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und sich mit ihm vor der Vernehmung zu beraten.
Letztlich hat die Polizei an Ort und Stelle auf keinen Fall die Möglichkeit, Sie zu irgendwas zu zwingen. Man darf Sie als Zeugen auch nach dem neuen Recht nicht gewaltsam auf die Wache mitnehmen oder gar einsperren. Auch ein Ordnungsgeld kann nur der Staatsanwalt verhängen. Eine Ordnungshaft ist sogar nur durch den Richter möglich. So eine Entscheidung fällt natürlich nicht sofort, so dass man jedenfalls ausreichend Zeit zum Nachdenken gewinnt. Überdies gibt es auch noch diverse Beschwerdemöglichkeiten vor Gericht.
Ganz schutzlos muss man sich also auch künftig nicht als Zeuge fühlen. Jedenfalls dann, wenn man seine Rechte kennt. Falls Sie sich fragen, warum es überhaupt zu dieser Regelung gekommen ist: Staatsanwälte und Richter sollen arbeitsmäßig entlastet werden. Am Ende reden wir also über Geldersparnis durch die Einschränkung wichtiger Rechte. Das muss man nicht gut finden. Ich jedenfalls tue es nicht.
arag.de/auf-ins-leben/udo-vett…gepflicht-zeugen-polizei/